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Fristlose Kündigung vom Arbeitgeber? So vermeiden Sie eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

Für eine fristlose Kündigung muss es einen gravierenden Grund geben, der eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber unzumutbar macht. Ansonsten ist die Kündigung unwirksam. In jedem Fall stellt die fristlose Kündigung den betroffenen Arbeitnehmer vor Fragen: Erhalte ich eine Abfindung? Droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die fristlose Kündigung vom Arbeitgeber.

1. Was ist eine fristlose Kündigung?

Die fristlose Kündigung ist das kompromissloseste arbeitsrechtliche Instrument des Arbeitgebers. Sie beendet das Arbeitsverhältnis für die Zukunft und mit sofortiger Wirkung.

Damit der Arbeitgeber fristlos kündigen kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Vorliegen eines wichtigen Grundes
  • vorherige Abmahnung, außer bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen (Ultima-Ratio-Prinzip)
  • Anhörung des Betriebsrats (falls vorhanden)
  • Schriftform (eigenhändige Unterschrift)
  • Zugang der Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes. Wenn der Arbeitgeber zunächst nur einen Verdacht hegt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte, beginnt die Frist erst nach Abschluss der Aufklärung. Die Ermittlungen muss der Arbeitgeber aber zügig – regelmäßig innerhalb von einer Woche – abschließen.

„Wichtiger Grund“ ≠ automatisch „Abmahnung entbehrlich“: Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB bedeutet nur, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Das kann eine schwere Pflichtverletzung sein – diese muss aber nicht immer so gravierend sein, dass auf eine Abmahnung verzichtet werden kann.

Eine Abmahnung ist nur dann nicht erforderlich, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers so gravierend ist, dass es – selbst als einmaliges Fehlverhalten – die Vertrauensbasis zwischen ihm und seinem Arbeitgeber zerstört.

Auch wenn Arbeitnehmer bei dieser einseitigen Willenserklärung von ihrem Arbeitgeber kein Mitspracherecht haben, so haben sie zumindest ein Recht zu erfahren, warum ihnen ohne Einhaltung einer Frist gekündigt wurde.

Hinweis: Eine fristlose Kündigung, die einem schnell gefassten Entschluss des Arbeitgebers entspringt und somit “fehleranfällig“ ist, sollte der betroffene Arbeitnehmer anwaltlich prüfen lassen. Der Anwalt prüft die fristlose Kündigung auf ihre Wirksamkeit hin und gibt eine klare Einschätzung, ob es sich lohnt, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen.

Hierbei ist es möglich, dass zugunsten des Arbeitgebers das Gericht die außerordentliche Kündigung in eine „Auffang-Kündigung“, nämlich eine ordentliche, für die kein Kündigungsgrund erforderlich ist, umdeutet. Eine solche Umdeutung nach § 140 BGB ist zu erwarten, wenn dem gekündigten Arbeitnehmer bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ersichtlich war, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in jedem Fall beenden will. Innerhalb des Kündigungsschutzprozesses muss das Gericht von sich aus die Möglichkeit der Umdeutung prüfen, ohne dass es eines zusätzlichen Antrags des Arbeitgebers bedarf. Letzterer muss allerdings die Tatsachen substantiiert darstellen, die für eine Umdeutung sprechen.

Die wichtigsten Kündigungsgründe sind gemäß Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beispielsweise:

  • Arbeitszeitbetrug: Das absichtliche „falsch Ausfüllen“ von Überstundenformularen ist für Arbeitnehmer ein verlockender Weg, um auf schnellem Wege für nie erbrachte Arbeitsleistungen an mehr Gehalt zu kommen. Das BAG hielt die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der seine Stundenzettel fälschte, für wirksam (BAG, Urteil vom 13.12.2018, Az. 2 AZR 370/18).

 

  • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Der Arbeitsplatz ist als sicheres Umfeld zu schaffen und zu erhalten und darf keine Toleranz für körperliche Eingriffe in die Intimsphäre zulassen. Das BAG bejahte die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Ar­bei­ters in einem Stahl­werk in Bre­men, der einen Leih­ar­bei­ter in den Genitalbereich packte und dazu rüde Be­mer­kun­gen machte (BAG, Urteil vom 29.06.2017, Az. 2 AZR 302/16).

 

  • Beleidigung oder Bedrohung von Vorgesetzten oder Kollegen: Insbesondere in sozialen Medien kommt es häufig vor, dass Arbeitnehmer Dampf ablassen über ihre Chefs ohne über die Konsequenzen nachzudenken. So hat das BAG in einem Fall eine fristlose Kündigung für wirksam erachtet, weil ein Arbeitnehmer sich in einer privaten WhatsApp-Gruppe (mit 7 Teilnehmern) in extrem beleidigender, rassistischer, sexistischer und zur Gewalt aufrührender Weise über Vorgesetzte und Kollegen äußerte (BAG, Urteil vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 17/23).

 

  • Diebstahl geringwertiger Sachen: Das Arbeitsverhältnis beruht u. a. auf dem Vertrauen des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer ihm fremde Sachen auch unbeaufsichtigt schützt und nicht an sich nimmt. Die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der in einem Kiosk arbeitete und zwei Zigarettenpackungen stahl, wurde als wirksam erachtet vom BAG trotz einer Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren, weil die Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich erschüttert wurde (BAG, Urteil vom 21.06.2012, Az. 2 AZR 153/11).

2. Anhörung des Betriebsrats

Eine weitere Voraussetzung für eine wirksame fristlose Kündigung vom Arbeitgeber ist die Anhörung des Betriebsrats. Diese ist zwingend erforderlich, sofern es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt.

Die Anhörung soll sicherstellen, dass Kündigungen nicht willkürlich erfolgen und die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt werden. Der Betriebsrat weist den Arbeitgeber auf Fehler bei der Kündigung hin und kann ihn ggf. dazu bewegen, von der Kündigung Abstand zu nehmen oder sie zu ändern. Ein Verstoß gegen die Anhörungsplicht führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Die fristlose Kündigung ist auch unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zwar angehört hat, seiner Unterrichtungspflicht aber nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Dieser ist genüge getan, wenn der Betriebsrat über die Kündigungsgründe unterrichtet wurde. Eine ordnungsgemäße Dokumentation der Pflichtverletzung ist regelmäßig erforderlich – es sei denn, das Fehlverhalten wiegt so schwer, dass auch ohne Abmahnung eine Kündigung gerechtfertigt ist.

Es muss hierbei zwischen Anhörung und Zustimmung unterschieden werden. Der Betriebsrat muss bei einer fristlosen Kündigung nur angehört werden. Etwas anderes gilt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbaren, dass alle Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen (vgl. § 102 Abs. 6 BetrVG).

3. Vorherige Abmahnung erforderlich?

Bei einer fristlosen Kündigung ist eine vorherige Abmahnung immer dann erforderlich, wenn das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers zwar eine Pflichtverletzung darstellt, aber (noch) nicht so schwer wiegt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.

Die Abmahnung erfüllt dabei eine Warn- und Hinweisfunktion: Sie soll dem Arbeitnehmer verdeutlichen, dass ein bestimmtes Verhalten vertragswidrig ist und im Wiederholungsfall den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Erst wenn der Arbeitnehmer trotz Abmahnung sein Verhalten nicht ändert, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Bei besonders schweren Pflichtverletzungen – etwa bei einer Straftat zulasten des Arbeitgebers, massiven Vertrauensbrüchen oder erheblichen Gefährdungen der Betriebssicherheit – kann auf eine Abmahnung verzichtet werden, da das Arbeitgeberinteresse an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers auf den Erhalt seiner Arbeitsstelle überwiegt.

Ob eine Abmahnung erforderlich ist, hängt also stets von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Schwere und Art der Pflichtverletzung, der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dem bisherigen Verhalten des Arbeitnehmers ab. So wird ein Arbeitnehmer mit einer längeren Betriebszugehörigkeit, der sich bislang nichts hat zu Schulden kommen lassen, erst dann ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt, wenn sein Fehltritt derart einschneidend für den Arbeitgeber ist, dass er diese Pflichtverletzung als nicht mehr steigerungsfähig empfindet.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Entbehrlichkeit der Abmahnung trägt der Arbeitgeber.

4. Abfindung trotz fristloser Kündigung?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht bei einer fristlosen Kündigung nicht. Trotzdem kann in der Praxis eine Abfindung vereinbart werden. Das ist insbesondere im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses üblich, z.B. als Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs (§ 278 ZPO).

Die Höhe der Abfindung variiert je nach Einzelfall. Sie ist – neben dem Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers – vor allem abhängig von den Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage. Je höher die Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage, desto wahrscheinlicher ist die Auszahlung einer (hohen) Abfindung.

Die gängige Formel für die Ermittlung der Abfindung lautet:

Betriebszugehörigkeit (in Jahren) x 0,5 Bruttomonatsgehälter

Häufig können Arbeitnehmer aber auch (deutlich) höhere Abfindungen aushandeln.

Als Arbeitnehmer muss man sich fragen, was die fristlose Kündigung für Reaktionsmöglichkeiten eröffnet:

  • Will ich meinen Job zurück? Dann sollten Sie einen Anwalt mit der Prüfung der Kündigung / der Einreichung einer Kündigungsschutzklage beauftragen
  • Will ich eine Abfindung?
  • Wie hoch wird sie realistischerweise ausfallen?

Mit unserem kostenlosen Abfindungsrechner können Sie die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage sowie die mögliche Höhe Ihrer persönlichen Abfindung ermitteln:

Tipp für Arbeitnehmer: Wenn Sie fristlos gekündigt wurden und nicht einschätzen können, ob Sie eine Abfindung erhalten werden, können Sie Ihrem Arbeitgeber eine Kündigungsschutzklage in Aussicht stellen. Sollte Ihr Arbeitgeber Zweifel an der Wirksamkeit seiner Kündigung haben und eine Niederlage vor Gericht befürchten, wird er sich eher dazu bereit erklären, eine Abfindung zu zahlen. Denn die Alternative für ihn oder sie wäre, anstatt Sie weiterhin zu beschäftigen, Ihr Gehalt nachzuzahlen und die Gerichtskosten zu übernehmen. Im Gegenzug akzeptieren Sie Ihre Entlassung und sehen von einer Klage ab.

5. So vermeiden Sie eine Sperre beim ALG

Ein fristlos gekündigter Arbeitnehmer muss sich normalerweise auf eine Sperrzeit einstellen, bevor ihm Arbeitslosengeld (ALG I) gezahlt wird. Der Grund liegt darin, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn der Arbeitnehmer seine Entlassung selbst zu verantworten hat. Die Bundesagentur für Arbeit stellt dann ein „versicherungswidriges Verhalten“ des Arbeitnehmers nach § 159 Ab. 1 SGB III fest.
Die Sperrzeit beträgt 12 Wochen und beginnt nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Bei einer fristlosen Kündigung ist das üblicherweise der Tag nach dem Ausspruch der Kündigung.

In bestimmten Fällen kann die Sperrzeit verkürzt werden oder ganz entfallen, zum Beispiel wenn ein besonderer Härtefall vorliegt oder die fristlose Kündigung unwirksam ist. Letzteres verlangt vom Arbeitnehmer den Nachweis, dass er die fristlose Kündigung nicht verschuldet hat, was im Ergebnis nur vor einem Arbeitsgericht abschließend entschieden werden kann.

6. Fazit

  • Eine fristlose Kündigung ist nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber unzumutbar macht.
  • Der Arbeitgeber muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes aussprechen und den Betriebsrat – sofern vorhanden – vorher anhören.
  • Eine fristlose Kündigung bedarf nur dann keiner vorigen Abmahnung des Arbeitgebers, wenn das Vertrauen endgültig zerstört ist oder eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist.
  • Bei einer fristlosen Kündigung droht regelmäßig eine Sperrzeit, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld für 12 Wochen ruhen lässt.
  • Fristlose Kündigungen sind oftmals fehlerhaft und daher angreifbar. Betroffene Arbeitnehmer sollten die Kündigung daher unbedingt fachanwaltlich überprüfen lassen.