1. Kann wegen Betriebsschließung oder Geschäftsaufgabe einfach gekündigt werden?
Die Antwort lautet: Ja, aber nicht selten ist die Kündigung angreifbar. Und es bestehen gute Chancen auf eine Abfindung.
Für Betriebsräte, Schwerbehinderte und Schwangere gelten strengere Regelungen.
Außerordentliche, fristlose Kündigungen sind bei Betriebsschließungen in aller Regel unzulässig.
2. Welche Kündigungsfristen gelten?
Wichtig für Arbeitnehmer ist zu wissen, wie lange das Beschäftigungsverhältnis noch fortbesteht. Denn so lange werden sie bezahlt, müssen aber natürlich auch selbst noch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen.
Je länger der Arbeitnehmer bereits im Betrieb arbeitet, desto länger ist die Kündigungsfrist.
Ist der Arbeitnehmer zum Beispiel weniger als zwei Jahre im Betrieb, beträgt die Kündigungsfrist nur vier Wochen zum 15. oder Monatsende. Bei mehr als fünf Jahren im Unternehmen beträgt die Kündigungsfrist zwei Monate, bei mehr als zehn Jahren vier Monate.
3. Gründe für Unwirksamkeit der Kündigung
Es gibt zahlreiche Gründe, warum eine Kündigung wegen Betriebsschließung angreifbar sein kann. Dazu zählen unter anderem folgende Szenarien:
Wird der Betrieb wirklich geschlossen?
Ebenso unwirksam ist eine „vorsorgliche“ Kündigung, wenn die Schließung zwar geplant, aber noch unsicher ist.
Auch wenn der Betrieb nur vorübergehend stillgelegt wird, rechtfertigt dies keine Kündigung wegen Betriebsschließung.
Schließung eines Standorts oder einer Abteilung
Gerade bei größeren Unternehmen gibt es häufig zahlreiche Geschäftsbereiche, oft an mehreren Standorten. Wird nur ein Betrieb von mehreren eines Unternehmens geschlossen, gelten zwar auch die Regeln der betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsschließung.
Die Etappenstillegung
Sehr fehleranfällig ist auch die sogenannte Etappenstillegung. Hier werden in einem Betrieb die Abteilungen schrittweise „dichtgemacht“.
Der Arbeitgeber darf dann nicht einfach Abteilung für Abteilung nacheinander kündigen. Er muss vielmehr aus allen Abteilungen einen Gesamtpool der Mitarbeiter bilden und es muss eine gerechte Sozialauswahl unter Berücksichtigung von Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Unterhaltspflichten etc. unter allen Betroffenen durchgeführt werden.
Hierzu ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.12.2022 (Az.: 6 AZR 31/22) lesenswert.
Weitere mögliche Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung:
- Formfehler
- Sonderkündigungsschutz
- Fehler bei der Sozialauswahl
- Insolvenzanmeldung statt Schließung
Es gibt also viele Fallstricke für den Arbeitgeber. Ein Arbeitsrechtler kann rasch herausfinden, ob der Arbeitgeber über einen von ihnen bei der Kündigung gestolpert ist – und er kann Perspektiven aufzeigen.
4. Was gilt bei Kleinunternehmen?
Wer in einem Kleinbetrieb mit bis zu zehn Mitarbeitern arbeitet, steht bei einer Betriebsschließung schlechter da als Angestellte größerer Unternehmen. Der gesetzliche Kündigungsschutz gilt nämlich für Kleinunternehmen nicht.
Schutz- oder gar rechtlos sind Arbeitnehmer in Kleinbetrieben aber keinesfalls: Der Arbeitgeber ist beim Kündigen unter anderem zu sozialer Rücksichtnahme verpflichtet und darf nicht diskriminierend vorgehen. Wie bei größeren Unternehmen wäre die Kündigung zum Beispiel unwirksam, wenn der Betrieb nicht wirklich geschlossen wird. Formfehler können ebenso zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen wie das Nichteinhalten der Mindestanforderungen an die soziale Rücksichtnahme.
5. Abfindung: Gibt es einen Anspruch? Wie hoch fällt sie aus? Wie bekomme ich sie?
Jedoch kommen Arbeitnehmer oft trotzdem in den Genuss einer Abfindung. Dies sind die häufigsten Wege dorthin:
- Ist das Thema im Arbeitsvertrag geregelt, gelten die dort getroffenen Vereinbarungen.
- Gleiches gilt für Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, wenn solche vorliegen.
- Oft wird im Zusammenhang mit der Betriebsschließung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Sozialplan ausgehandelt, der üblicherweise auch eine Regelung zu Abfindungen enthält.
Wichtig: Auch bei einem Sozialplan kann individuell nachverhandelt werden. Dies ist insbesondere sinnvoll, wenn man dem Arbeitgeber vermitteln kann, dass eine Kündigungsschutzklage gute Aussicht auf Erfolg hätte.
- Häufig kann beziehungsweise muss die Abfindung aber auch im Einzelfall ausgehandelt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es keinen Betriebsrat und somit auch keinen Sozialplan gibt. Oft wird dann ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Dabei einigen sich beide Seiten, das Arbeitsverhältnis zu beenden – gegen Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer verzichtet auf seinen Kündigungsschutz und bekommt im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung.
Ein Aufhebungsvertrag hat aber auch Nachteile. So droht beispielsweise eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld.In unserem Blog-Artikel „Aufhebungsvertrag oder Kündigung“ erklären wir die Vor- und Nachteile der beiden Alternativen Aufhebungsvertrag und (Eigen-)Kündigung.Wichtig: Arbeitnehmer sollten sich nicht vom Arbeitgeber unter (Zeit-)Druck setzen lassen. Nehmen Sie sich Zeit, den angebotenen Aufhebungsvertrag in Ruhe zu prüfen. Im Idealfall wird ein Arbeitsrechtler hinzugezogen. - Auch bei erhobener Kündigungsschutzklage oder wenn dem Arbeitgeber klargemacht werden kann, dass eine mögliche Klage gute Erfolgschancen hätte, wird oft individuell eine Abfindung vereinbart.
Denn dann befindet sich der Arbeitgeber in einer unangenehmen Situation: Es drohen ihm in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit zusätzlich Klagen seiner Angestellten. Dies bedeutet Zeitaufwand und Unsicherheit in Bezug auf den Ausgang langwieriger Klageverfahren.
Der Arbeitgeber wählt dann oft den bequemeren und kalkulierbaren Weg: Er einigt sich mit dem klagewilligen Arbeitnehmer im Rahmen eines Vergleichs auf eine Abfindung. So ist das Thema für ihn schneller erledigt, und er weiß genau, wie viel ihn das Beenden des Streitthemas kostet.
Kommt es zu einer Einigung über die Abfindung, muss der Arbeitnehmer natürlich seine Kündigungsschutzklage zurückziehen, wenn sie bereits eingereicht wurde. Ist dies noch nicht geschehen, muss er auf eine künftige Klage verzichten. Die Kündigung ist dann wirksam, aber der Arbeitnehmer bekommt seine im Idealfall zufriedenstellende Abfindung.
Jahre im Unternehmen mal halbes Bruttomonatsgehalt
13 Jahre x 1.450 Euro = 18.850 Euro Abfindung
Mit unserem kostenlosen Kündigungs-Check können Sie die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage sowie die mögliche Höhe Ihrer persönlichen Abfindung ermitteln:
Häufig können teils deutlich höhere Abfindungen ausgehandelt werden. Auch individuelle Aspekte wie etwa Unterhaltspflichten, Alter des Betroffenen oder andere soziale Sondersituationen spielen in die Höhe der Abfindung mit hinein.
6. Fazit
- Eine Kündigung wegen Betriebsschließung oder Geschäftsaufgabe ist grundsätzlich zulässig.
- In Kleinbetrieben ist der Kündigungsschutz stark eingeschränkt.
- Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden.
- Die Chancen auf eine attraktive Abfindung sind in der Regel gut, auch wenn kein gesetzlicher Anspruch vorliegt.
- Faustformel für Abfindung: Jahre der Betriebszugehörigkeit × ½ Bruttomonatsgehalt. Individuell kann oft eine (deutlich) höhere Abfindung ausgehandelt werden.
- Rechtliche Fehler bei der Kündigung sind häufig, sodass eine Überprüfung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht sinnvoll ist. Betroffene Arbeitnehmer sollten sich daher zeitnah anwaltlich beraten und über ihre Rechte informieren lassen, um das Bestmögliche aus der Situation herauszuholen.