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Zweifel an einer Krankmeldung? Was Arbeitgeber jetzt tun können

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn sie Zweifel an einer Krankmeldung oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Mitarbeiters haben? Dieser Artikel beleuchtet die Handlungsspielräume von Arbeitgebern und zeigt auf, unter welchen Bedingungen der Beweiswert eines ärztlichen Attests erschüttert werden kann.

1. Wann und warum ist eine Überprüfung durch den Arbeitgeber sinnvoll?

Krankheitsbedingte Fehlzeiten führen zu finanziellen Schäden des Arbeitgebers, weil dieser während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit in der Regel das volle Gehalt des Arbeitnehmers weiterzahlen muss (sog. „Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“). Je mehr Fehlzeiten im Betrieb anfallen, desto größer werden die finanziellen Verluste für den Arbeitgeber.

Besonders ärgerlich sind diese Verluste, wenn Arbeitnehmer „blau machen“ und sich Krankmelden, ohne wirklich arbeitsunfähig zu sein. Die Überprüfung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann daher im Einzelfall sinnvoll sein, um betroffene Arbeitnehmer zu disziplinieren. Hilft auch dies nicht, können Arbeitgeber eine Kündigung in Erwägung ziehen.

Bevor es jedoch zu einer (wirksamen) Kündigung kommen kann, müssen Arbeitgeber wichtige Maßnahmen ergreifen, denn der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt grundsätzlich ein hoher Beweiswert zu. Eine vorschnelle Kündigung hat daher vor einem Arbeitsgericht kaum Bestandschancen.

2. Erste Maßnahme: Das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Wenn ein Arbeitgeber die Krankmeldung seines Arbeitnehmers anzweifelt, sollte ein offenes Gespräch mit dem betroffenen Arbeitnehmer stets der erste Schritt sein. Missverständnisse lassen sich oft aufklären, wenn der Arbeitgeber die Hintergründe der Krankmeldung erfährt.

Vorsicht: Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, ihren Arbeitgeber über den Grund der Krankmeldung zu informieren. Arbeitgeber sollten daher dem Arbeitnehmer nicht das Gefühl geben, ihn auszuforschen oder ihm zu misstrauen. Sie sollte dem Arbeitnehmer stattdessen zeigen, dass sie aufmerksam und an seiner Arbeitsfähigkeit und Gesundheit interessiert sind.

Viele Erkrankungen führen zu kurzfristigen und kurzzeitigen Arbeitsausfällen (z.B. Migräne) und können beim Arbeitgeber zu (unbegründeten) Zweifeln an der Arbeitsmoral führen. Diese Zweifel lassen sich durch ein frühzeitiges Gespräch oft ausräumen, ohne dass das Arbeitsklima leidet. Bei körperlichen Leiden kann auch ein Gespräch über alternative und leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten im Betrieb Abhilfe schaffen und zu geringeren Fehlzeiten beitragen.

Auch wenn eine Krankmeldung offensichtlich unbegründet ist (z.B. Krankmeldung nach abgelehntem Urlaubsantrag), kann ein Gespräch, in dem der Arbeitnehmer auf die Konsequenzen seines Verhaltens hingewiesen wird, zu besserem Verhalten in der Zukunft motivieren.

3. Verpflichtung zur frühzeitigen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung

Schafft ein Gespräch keine Klarheit, kann in einem zweiten Schritt die frühzeitige Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt werden.

Hierzu muss zunächst der Unterschied zwischen Krankmeldung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung klar sein:

Die Krankmeldung ist lediglich eine formlose Anzeige des Arbeitsnehmers darüber, dass er krankheitsbedingt nicht zur Arbeit erscheinen wird.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) ist demgegenüber ein ärztliches Attest zur Bestätigung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Im Krankheitsfall sind Arbeitnehmer zunächst (nur) zur Krankmeldung verpflichtet: Wer nicht arbeitsfähig ist, muss den Arbeitgeber unverzüglich hierüber informieren und die voraussichtliche Dauer seiner krankheitsbedingten Abwesenheit mitteilen. Dies kann grundsätzlich formlos (z.B. per Telefon oder E-Mail) erfolgen, wenn im Betrieb nichts anderes geregelt ist. Angaben zur Art der Erkrankung sind nicht erforderlich und dürfen auch nicht verlangt werden.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist hingegen grundsätzlich erst erforderlich, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage andauert (§ 5 Abs. 1 S. 2 EntgFG). Nach dem gesetzlichen Regelfall ist eine AUB also erst am vierten Tag nötig.

Nicht wenige Arbeitnehmer nutzen diesen Umstand aus, indem sie rechtzeitig wieder zur Arbeit erscheinen, bevor sie eine AUB vorlegen müssten. Dieser Praxis können Arbeitgeber allerdings mit wenig Aufwand entgegentreten, denn abweichend vom gesetzlichen Regelfall dürfen sie auch schon zu einem früheren Zeitpunkt – z.B. ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit – eine ärztliche Krankschreibung verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EntgFGG). Arbeitnehmer müssen dann nicht nur formlos über die Erkrankung informieren, sondern zusätzlich einen Arzt konsultieren und ein ärztliches Attest vorlegen.

Ein Verdachtsmoment für eine vorgetäuschte Krankheit oder Anhaltspunkte in der Historie des Arbeitnehmers bedarf es dafür nicht. Dies wurde bereits 2012 vom Bundesarbeitsgericht bestätigt und schützt seitdem Arbeitgeber vor häufigen Kurzerkrankungen arbeitsunwilliger Arbeitnehmer.

Als Arbeitgeber ist aber auch hier Feingefühl gefragt: Eine Vorlagepflicht ab dem ersten Krankheitstag führt zu Missmut und Unverständnis, denn dadurch werden Arbeitnehmer bereits bei einem Migräneanfall dazu gezwungen, einen Arzt aufzusuchen. Üblicher ist in der Praxis eine Vorlage ab dem dritten Krankheitstag. Kürzere Vorlagefristen sollten gut begründet sein, um das Arbeitsklima nicht nachhaltig zu gefährden.

Achtung: Auch wenn Arbeitgeber ihre Entscheidung nicht begründen müssen, darf das Verlangen nach einer Krankschreibung nicht schikanös oder willkürlich erscheinen. Um einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorzubeugen, sollten Arbeitgeber außerdem alle Arbeitnehmer gleichbehandeln und eine einheitliche Regelung schaffen. Neben der Regelung im Tarif- oder Arbeitsvertrag kann dazu auch eine Betriebsvereinbarung ein probates Mittel sein.

4. Zusammenhangsanfrage bei der Krankenkasse

Legt der in Verdacht stehende Arbeitnehmer im Krankheitsfall stets eine AUB vor, stehen Arbeitgeber vor einer größeren Herausforderung, denn ärztliche Atteste haben grundsätzlich einen hohen Beweiswert für eine tatsächliche Erkrankung des Arbeitnehmers.

Der Arbeitgeber kann das Nichtbestehen einer Arbeitsunfähigkeit nur schwer nachweisen, weil er keinen Einblick in das private Leben seiner Arbeitnehmer hat. Ein bloßes Bestreiten (mit Nichtwissen) der Arbeitsunfähigkeit reicht den Arbeitsgerichten jedoch nicht. Stattdessen muss er tatsächliche Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers begründen und so den Beweiswert der AUB erschüttern (vgl. BAG, Urt. v. 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).

In der Praxis haben sich mehrere Wege etabliert, um Zweifel an einer Krankschreibung zu begründen. Einer davon ist die sog. Zusammenhangsanfrage bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers.

Mit einer Zusammenhangsanfrage kann geprüft werden, ob frühere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund derselben Erkrankung erteilt wurden.

Eine Zusammenhangsanfrage kann erste Auffälligkeiten in der Krankheitshistorie bestätigen oder entkräften. Ist der Arbeitnehmer häufiger aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig, erscheint dies zunächst plausibel und nachvollziehbar. Informationen über den tatsächlichen Krankheitsgrund erhalten Arbeitgeber hingegen nicht. Ob eine Zusammenhangsanfrage daher einen wirklichen Mehrwert schafft, hängt auch von den weiteren Begleitumständen ab. In jedem Fall hilft sie, ein vollständigeres Bild von dem betroffenen Arbeitnehmer zu schaffen.

Nicht alle Krankenkasse bieten den Service einer Zusammenhanganfrage an und sie sind hierzu gegenüber dem Arbeitgeber auch nicht gesetzlich verpflichtet.

5. Überprüfung durch den Medizinischen Dienst

Hat der Arbeitgeber weiterhin berechtige Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers, so kann er bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MD) zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit verlangen (§ 275 Abs. 1a S. 3 SGB V). Eine konkrete Begründung gegenüber der Krankenkasse ist dafür nicht erforderlich.

Die Krankenkasse darf dieses Verlangen nur dann ablehnen, wenn sich die Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergibt und hieran keine Zweifel bestehen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer eine Krankmeldung nur vortäuscht. Eine Überprüfung durch den MD hat daher eine gewisse Aussagekraft und schafft Eindruck gegenüber dem Arbeitnehmer.

Einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die Durchführung einer Begutachtung des Arbeitnehmers durch den Medizinischen Dienst haben Arbeitgeber indes nicht. Lehnt der Arbeitnehmer die Begutachtung jedoch ohne hinreichende Begründung ab, kann hierdurch der Beweiswert der AUB erschüttert werden.

Achtung: Eine Verweigerung der Begutachtung durch den Arbeitnehmer berechtigt den Arbeitgeber nicht, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einzustellen. Bis zu einer gerichtlichen Klärung der Angelegenheit sollte dieser daher die Lohnfortzahlung weiter gewähren, um nicht in Verzug zu geraten.

6. Beispiele für zweifelhafte Krankmeldungen

Die Rechtsprechung zu unbegründeten Krankmeldungen und Krankschreibungen ist vielfältig. In der Praxis haben sich dadurch einige typische Konstellationen entwickelt, in denen Arbeitgeber nicht selten berechtigte Zweifel haben:

  • Krankmeldung nach Kündigung: Viele Arbeitnehmer wollen nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber oder nach einer Eigenkündigung nicht mehr arbeiten und melden sich daher krank. Für den Arbeitgeber gibt eine Krankmeldung im Kündigungszusammenhang deshalb Anlass, an der Arbeitsunfähigkeit zu zweifeln. Berechtigte Zweifel entstehen insbesondere dann, wenn die Krankschreibung genau auf den Ablauf der Kündigungsfrist datiert. Dies bestätigte erst kürzlich noch einmal das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 18.09.2025 – 5 AZR 29/24).
  • Kurzzeiterkrankungen zum Wochenbeginn und Wochenende: Zweifel sind oft auch dann berechtigt, wenn sich Arbeitnehmer häufig zum Beginn oder Ende einer Arbeitswoche krankmelden. Dies kann für ein selbst geschaffenes verlängertes Wochenende sprechen.
    Aber Vorsicht: Nicht selten schleppen sich pflichtbewusste Arbeitnehmer durch die Arbeitswoche und erkranken über das Wochenende richtig. Diesen Arbeitnehmern sollte man nicht durch voreilige Schlüsse auf die Füße treten.
  • Häufige Kurzzeiterkrankungen: Je häufiger ein Arbeitnehmer kurzzeitig erkrankt, desto größer werden die Zweifel an einer tatsächlichen Erkrankung. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer nie eine AUB vorlegt. Dies bietet zumindest Anlass für ein erstes Gespräch, um Missverständnissen vorzubeugen. Manche Erkrankungen treten häufig und kurzzeitig auf (z.B. Migräne). Betroffene gehen in der Regel nicht jedes Mal zum Arzt, um ein ärztliches Attest einzuholen, sondern behandeln ihre Beschwerden selbst.
    Legt der Arbeitnehmer zwar regelmäßig ein Attest vor, aber werden diese immer wieder von einem anderen Arzt ausgestellt, kann auch das Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit begründen.
  • Unplausible Krankheitsverläufe: Oftmals bietet der Kontext einer Erkrankung Anhaltspunkte für Zweifel und Plausibilität. Steht die Krankmeldung im Zusammenhang mit einem abgelehnten Urlaubsantrag? Hat der Arbeitnehmer zuvor versucht, seine Schicht zu tauschen? Hat der Arbeitnehmer vorher über Pläne berichtet (z.B. den Besuch eines Festivals)? Tritt die Krankheit unmittelbar vor oder nach einem Urlaub auf, kann dies auch für eine unzulässige Urlaubsverlängerung sprechen.
  • Rückdatierte Krankschreibung: Eine rückdatierte Krankmeldung kann ebenfalls zu Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führen. Grundsätzlich dürfen Ärzte eine AUB nur maximal drei Tage rückwirkend bescheinigen. Eine längere Rückdatierung darf daher hinterfragt werden.

Liegt ein solch typischer Fall einer unbegründeten Arbeitsunfähigkeit vor, reicht dies allein noch nicht aus, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeit in einem Prozess vor dem Arbeitsgericht zu erschüttern. Es könnte jedoch der Anlass für weitere Maßnahmen wie eine Zusammenhangsanfrage oder die Begutachtung durch den MD sein. Maßgeblich sind außerdem stets die Umstände des Einzelfalls.

Arbeitgeber sollten daher so viele Informationen wie möglich zusammentragen, bevor sie das Risiko einer Verschlechterung des Arbeitsklimas eingehen und folgenreiche Maßnahmen zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit einleiten.

7. Fazit

  • Eine Krankmeldung ist die formlose Mitteilung, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein ärztliches Attest über die Unfähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung.
  • Grundsätzlich ist eine AUB erst ab dem vierten Kalendertag nach der Krankmeldung erforderlich. Arbeitgeber können davon abweichen und bereits ab dem ersten Tag eine AUB verlangen.
  • In einem Mitarbeitergespräch können viele Zweifel und Missverständnisse ausgeräumt werden, ohne dass das Arbeitsklima Schaden nimmt.
  • Durch eine Zusammenhangsanfrage bei der Krankenkasse kann die Plausibilität einer Krankschreibung durch die Krankheitshistorie überprüft werden.
  • Bei Zweifeln kann der Arbeitgeber die Krankenkasse des Arbeitnehmers um gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes bitten, die diese nur bei zweifelsfreier Arbeitsunfähigkeit nach Aktenlage ablehnen darf.
  • Die gerichtliche Durchsetzung einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst ist nicht möglich, allerdings erschüttert eine Weigerung des Arbeitnehmers den Beweiswert einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.